Von Janette Beck
Biederitz. In diesen Tagen jährte sich der Tag, an dem Reinhard Schütte seinen schweren Schlaganfall erlitt, bereits zum dritten Mal. Und der Ehren-Mannschaftsführer der SCM-Handballer sieht mehr denn je Parallelen zwischen seinem persönlichen Schicksal und dem Weg, den „seine“ Handballer in den letzten drei Jahren hinter sich haben.
„Im Fahrstuhl ging es tief runter und wieder rauf – so wie bei mir“, sagt der 59-jährige Ex-Nationalspieler, der nach wie vor unter einer starken linksseitigen Lähmung leidet, vorwiegend im Rollstuhl sitzt und sich in der Reha jedes kleine Stück Selbständigkeit mühselig erarbeiten muss. „Zwar sind die Fortschritte, die ich mache, sehr klein. Aber wenn ich zurückschaue zu den Anfängen vor drei Jahren, wo das Leben zu Ende schien, dann bin ich doch schon sehr weit gekommen. Und es zeigt mir, dass sich Kämpfen lohnt. „Noch in der Vorsaison, als es beim SCM, dem einstigen Champions-League-Sieger, Niederlagen am laufenden Band hagelte und zwischenzeitlich sogar das Abstiegsgespenst sein Unwesen trieb, hatte „Reini“ seinen Handballern Mut zugesprochen und aufgefordert, trotz der Tiefschläge nicht den Kopf in den Sand zu stecken, sondern nach vorn zu schauen und zu kämpfen. Eben es so zu halten wie Schütte selbst, der sich nach dem schrecklichen Schlaganfall kurz nach Ende der Saison 2007/08 nicht aufgegeben hatte.
Doch dass es mit dem Magdeburger Handball so schnell und so weit vorn geht wie in den letzten Monaten, das hat auch den einstigen Rechtsaußen überrascht. „Den siebten Rang kann man den Jungs und dem neuen Trainer nicht hoch genug anrechnen. Dass es so gut läuft und wir im kommenden Jahr sogar wieder im Europacup mitmischen, hat alle überrascht. Auch mich.“ Da wurden sofort natürlich Erinnerungen an früher wach, als man so manche EC-Schlacht erfolgreich geschlagen habe, so der Europacup-Sieger von 1978, der über 20 Jahre als Mannschaftsleiter so etwas wie die gute Seele des Vereins war: „Es wäre schön, wenn wir an frühere internationale Erfolge anknüpfen könnten.“Spielerisch habe die Mannschaft im Vergleich zu den vorausgegangenen Dürrejahren „einen großen Sprung nach vorn gemacht und alte Tugenden wie den Tempogegenstoß und eine starke Abwehr wiederentdeckt“, konstatiert Schütte, der die drei Heimspiele gegen die Füchse, Hamburg und Kiel in der Bördelandhalle von der Ehrentribüne aus verfolgt hat.
Und natürlich habe ihn der grandiose Sieg gegen Kiel „am meisten Spaß gemacht, auch wenn mir mein Freund Alfred Gislason ein wenig leid getan hat“, so Schütte, der mit dem Isländer regelmäßigen telefonischen Kontakt hat und sich besonders über Einladungen des Ex-SCM-Trainers zum Boßeln freut. „Zuletzt habe meine Frau Gudrun und ich zusammen mit ,Kretzsche‘ und ,Sprengi‘ eine Runde auf Alfreds Anwesen in Wendgräben gespielt“, berichtet Schütte, der sich glücklich schätzt, dass es für ihn nicht heißt: Aus den Augen, aus dem Sinn. „Vor kurzem hat mich Joel Abati mit einem Besuch überrascht. Der hatte es sich während seines Gastspiels in Leipzig nicht nehmen lassen, bei mir vorbeizuschauen.“Mit ein wenig Wehmut verfolgt Schütte dagegen die Entwicklung im Nachwuchsbereich des SCM: „Schade, dass es den jetzigen Verantwortlichen nicht gelungen ist, einen Dario Quenstedt oder einen ebenso talentierten Torhüter wie Felix Storbeck im Verein zu halten. Ich stehe zwar nicht mehr voll im Stoff und kenne auch die Hindergründe nicht, um mir ein genaues Urteil darüber zu erlauben, ob der eingeschlagene Weg richtig oder falsch ist. Aber ich finde es schon bedenklich und traurig, dass es immer weniger Magdeburger Eigengewächse in der ersten Mannschaft gibt. Damit geht dem SCM ein wichtiges Stück Identifikation verloren.“